"Ich habe viel beschönigt"

Nach der Vorstellung setzt Dramatikerin Felicia Zeller neue Maßstäbe in Sachen Coolness. Doch dann meldet sich aus dem Publikum die harte Realität zu Wort.

Von Christian Rakow

Felicia Zeller (zweite von rechts) beim Publikumsgespräch © md

6. Mai 2024. Sätze, wie nur Felicia Zeller sie sagt: "Ich habe so lange an dem Stück gearbeitet, dass alles auf der Hand liegt." Spricht es und zieht sich wieder in ihren Stuhl zurück, mit überkreuzten Beinen.

Man könnte meinen, ey, wie unverfroren, wie viel Chuzpe, mal eben so wissen zu lassen, welchen Grad an Perfektion man erreicht hat. Aber weil Zeller bei öffentlichen Auftritten eigentlich immer so wirkt, als hasse sie nichts mehr als öffentliche Auftritte und als suche sie einfach nur die Flucht nach vorn (während zum Beispiel Rainald Goetz gestern die reine Fahnenflucht praktizierte), kommen die Statements erzcool und zugleich grundsympathisch rüber.

Um die Rolle der Dramatikerin und ihre Ästhetik ging es aber dann doch wenig in diesem Publikumsgespräch nach ihrem Mülheim-Gastspiel mit Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt. Zu stark schlug der Stoff, den Zeller (auf Anregung des Regisseurs Eike Weinreich) im Oberhausener Frauenhaus recherchiert hatte, durch, zu intensiv fassten die im Stück verarbeiteten Gewalterfahrungen das Publikum und die Beteiligten an.

Eine Frage des Geldes

Die für das Stück befragten Frauen hätten sich in der Aufführung wiedererkannt und seien ergriffen gewesen, berichtete eine im Saal anwesende Mitarbeiterin ebenjenes Oberhausener Frauenhauses und fügte hinzu: "Was man auf der Bühne sieht, ist unser Alltag." Und sie klärte über die prekären Zugangsbedingungen ihrer vom Staat nur unzureichend geförderten Institution auf: 56 Euro Miete pro Nacht koste ein Platz im Frauenhaus derzeit, Oberhausen verfüge über 12 Plätze für Frauen und 7 für Kinder. "Gewaltschutz ist hier in Deutschland Luxus. Den muss man sich leisten können."

"Ich habe viel beschönigt", sagt Zeller über ihr, weiß Gott, schonungsloses Stück. "Wir haben versucht, die Schwere, so gut es geht, draußen zu lassen", berichtet Schauspielerin Rosa Dahm vom Oberhausener Ensemble über den Umgang mit dem Text. Zeller gibt noch einen Einblick in ihren poetischen Werkzeugkasten: Warum sie oftmals die Verben aus den Sätzen weglasse, fragt ein Zuschauer die Autorin. "Das mache ich zur Beschleunigung."

Und dann hat das Publikumsgespräch noch einen dieser Zeller'schen Fundamentalsätze, die man über den Tag hinaus bewahren möchte. Über ihr Werk, das sich regelmäßig mit Behörden und deren formatiertem Sprechen befasst: "Die Verwaltungssprache versucht sehr präzise zu sein und scheitert damit, wenn sie auf etwas Dynamisches trifft." Etwas Dynamisches wie Menschen in ihrer je eigenen Notlage. Meist liegt in diesem Scheitern von Präzision eine tiefe Komik, etwas ideal Verqueres, das Zellers Stücke transportieren. Bei diesem "Antrag" ist es anders. "Wahrscheinlich ist es eher eine Tragödie."

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