Überwältigt, erschöpft, erleichtert

Lob für die Aktualisierung des antiken Stoffs, Kritik fürs Repetitive der Form. "forecast:oedipus" von Thomas Köck im Spiegel des Publikums.

Stimmen gesammelt von Svenja Plannerer

Schlussapplaus fürs Ensemble des Schauspiels Stuttgart: bei "forecast:oedipus" © sp

23. Mai 2024. Nach dem Gastspiel von Thomas Köcks forecast:ödipus in der Regie von Stefan Pucher vom Schauspiel Stuttgart sprachen wir mit Zuschauer*innen im Foyer.

Jan, 24 Jahre & Gianluca, 25 Jahre

Was führt Sie heute Abend hierher?

Gianluca: Jan war schon ein paar Mal hier. Wir wohnen in Bochum und arbeiten am Schauspielhaus und wollten jetzt die Möglichkeit nutzen, im Rahmen des Festivals etwas anzuschauen. Dieses Stück ist leider das Einzige, das ich sehen kann und ich wusste eigentlich gar nichts darüber.

Jan: Zeitgenössische Dramatik entdecken und dieses spannende und vielfältige Programm mitnehmen, welches das Festival dieses Jahr bietet.

Was genau sind Ihre Aufgaben am Bochumer Schauspielhaus?

Gianluca: Wir sind beide Übertitler, und ich bin Übersetzer. Und wir sind Studenten.

Welche Szene/welches Bild/welches Textfragment ist Ihnen am stärksten im Gedächtnis geblieben?

Gianluca: Einmal dieser eine Satz, "Stellst du jetzt gerade meine Sovereignity in Frage?" Und dann der Satz, der hier ja auch überall hängt, "schön wärs doch / könnten wir weiterhin den / göttern das schicksal / in die schuhe schieben." Dieses Motiv "erkenne dich selbst" fällt mir jetzt noch ein. Und der Link zu Hamlet mit "etwas ist faul im Staate Theben".

Mit welchem Gefühl sind Sie aus der Vorstellung gegangen?

Jan: Überwältigt, erschöpft und ja, so ein bisschen erleichtert, dass es vorbei ist. Also nicht, dass ich es jetzt so grausam fand, sondern es konfrontiert einen mit einer Menge repetitiver Vorwürfe. Und dann wirkt es belastend in der Menge und in der Wiederholung.

Gianluca: Das war eigentlich am Ende ganz aufgelöst. Ich mochte den Bruch am Schluss.

Würden Sie das Stück weiterempfehlen?

Gianluca: Ja schon. Ich bin jetzt nicht sehr begeistert, aber ich bereue es nicht, dass ich hier hingekommen bin.

Jan: Von dem, was ich bisher gesehen habe, hat es mir am wenigsten gefallen. Aber das liegt auch an starker Konkurrenz, würde ich sagen. Ich finde, das kann man sich auf jeden Fall mal anschauen.

Nicole, 53 Jahre & Thomas, 56 Jahre

Was führt Sie heute Abend hierher?

Nicole: Ach, wir sind eigentlich große Theaterfans. Du hast ja sogar Theatergeschichte studiert.

Thomas: Ich selber war mal Regisseur in der freien Szene. Und wir sind leidenschaftliche Theatergänger. Wir kommen aus Köln, und Mülheim ist toll, weil wir nicht durch ganz Deutschland fahren müssen, um Theater zu schauen.

Welche Szene/welches Bild/welches Textfragment ist Ihnen am stärksten im Gedächtnis geblieben?

Thomas: Ich habe das eher formal gesehen. Wir werden jetzt auch am Wochenende "Anthropolis" von Schimmelpfennig sehen, das ja auch so ein antikes Projekt ist. Ich habe das angelesen, und war, das muss ich ehrlich sagen, ein bisschen enttäuscht, dass es eben nicht so eine spannende Modernisierung erfahren hat. Und heute war ich sehr positiv von der Umsetzung überrascht. Denn wie kann man Ödipus zum tausendsten Male nochmal erzählen? Und das fand ich eigentlich sehr spannend.

Nicole: Ich fand die Reflexionsebene unheimlich gut getroffen. Dass man das Stück zergliedert hat, indem man es reflektiert. Ich war vom Chor begeistert, weil er ja immer mit den erhobenen Zeigefingern durch die Stücke geistert. Mir hat die Analogie zum sogenannten Mittelstand, dem Bürgertum, sehr gut gefallen. Und auch, dass es zum Schluss noch weitergeht. Warum machen wir das eigentlich? Keiner hört auf uns. Jetzt haben wir es zum hundertsten Mal gezeigt. Das fand ich sehr schön.

Mit welchem Gefühl sind Sie aus der Vorstellung gegangen?

Thomas: Ich war irgendwie in den letzten Monaten immer sehr müde. Vieles, das ich im Theater gesehen habe, war so ein Mittelmaß, und ich dachte, vielleicht ist das Theater auch irgendwo am Ende, weil es keine neuen Impulse gab. Und das hat mich wieder überrascht. Es ist wieder so ein Lichtblick.

Nicole: Es war nicht so steif heruntergespielt. Sonst hat man ja auch öfters mal Inszenierungen, in denen der Textblock vorgetragen wird. Aber diesmal hat es mich sehr angesprochen.

Würden Sie den Abend weiter empfehlen?

Nicole: Absolut.

Thomas: Ja, auf jeden Fall.

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